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Die Tango-Legenden María Nieves und Juan Carlos Copes

„Als ich zum ersten Mal Tango tanzte, strömte er von den Füßen in meinen Körper, von meiner Haut in mein Blut und mit dem Blut direkt in mein Herz. Man braucht für ihn keine Akrobatik, sondern einzig Hingabe an den eigenen Herzschlag.“ (María Nieves) „Tango ist für mich der einzige Tanz, der Vorstellungskraft und Kreativität so befeuert, dass man in nur drei Minuten ohne Worte eine große Geschichte von Liebe oder Hass erzählen kann.“ (Juan Carlos Copes)

María Nieves Rego (81) und Juan Carlos Copes (84) begegneten sich erstmals 1948 als Teenager in einem Tangoclub in Buenos Aires. Das 14jährige Dienstmädchen aus ärmsten Verhältnisse und der 17jährige Tango-Begeisterte verliebten sich, wurden ein Paar und prägten mit ihrer gemeinsamen Kunst die nächsten 50 Jahre. Ohne die beiden ist die Geschichte des modernen Tango undenkbar. Als Erste brachten sie den Tanz von den etwas zwielichtigen Tanzhallen als Kunstform auf die Bühnen der Welt, ins Fernsehen, in Tanzunterricht für Robert Duvall, Mihail Baryshnikov, Bob Fosse und Liza Minnelli und auf eine Geburtstagsparty von Ronald Reagan im Weißen Haus.

An diesem ersten Tanzabend 1948 forderte Juan María auf, doch sie lehnte ab. Ihre Schwester La Ñata, eine aufstrebende Tangotänzerin, verbot ihr das Tanzen, weil sie noch zu jung war. María Nieves wartete ein ganzes Jahr, bis sie Juan wiedersah und seine Aufforderung annehmen konnte. Neben ihrer Leidenschaft für den Tango, den sie sich bis dahin mit einem Besen als Partner selbst beigebracht hatte, verband sie mit Juan die Begeisterung für Hollywood-Musicals mit Gene Kelly und Cyd Charisse. Sie inspirierten das Paar, dem Tango eine neue Richtung zu geben – der Tanz als Show und Beruf. In einer Zeit, in dem Tango als Zeitvertreib und Amüsement der armen Leute in Milongas getanzt wurde, war dies revolutionär. Nieves und Copes brachten der Tango-Show ihre bis heute klassischen Motive: Messerkämpfe zwischen Männern, Milonga-Tanzen auf einer Tischplatte, die leidenschaftliche Eroberung der Partnerin und Volkstänze von Immigranten, die langsam in Tango übergehen.

Nach einem schwierigen, existenzbedrohenden Start in Südamerika und New York wurde das Paar zu einem weltweiten Tango-Phänomen, ihre Beziehung jedoch zum Alptraum. Die in Hinsicht auf ihre Karriere eher unambitionierte María Nieves wollte heiraten, bei ihrer Mutter in Buenos Aires sein und mit Juan Carlos auf lokalen Milongas tanzen: „Aber ich habe einen Verrückten getroffen und bin ihm gefolgt.“ Juan wiederum wollte mit seiner Choreografie die Welt erobern – und so viele Frauen wie möglich. Bereits 1956 hatte er nach Astor Piazzollas Musik ein Show-Konzept mit Choreografie und Handlung entwickelt, traf den einflussreichen Musiker aber erst nach Touren durch Mittelamerika, Venezuela, Brasilien, Kuba und Mexiko in Mexiko City. Piazzolla verschaffte Nieves und Copes ihr Debüt in den USA und im amerikanischen Fernsehen. Zunächst leben sie in New York von der Hand in den Mund, aber hielten über mehrere Jahrzehnte an der Zusammenarbeit fest. Ihre ersten Tourneen in dieser Zeit dauern jeweils zwei bis drei Jahre, da das Geld für ein Rückflug-Ticket fehlte.

Zwar heirateten die beiden 1965 in Las Vegas, kauften ein Haus in Buenos Aires und tourten weltweit, blieben ihrer Kunst sogar in den schwierigen Jahren der argentinischen Militärdiktatur treu, aber nach ein paar Jahren zerbrach die Ehe. Doch auch nach ihrer Scheidung blieben María Nieves und Juan Carlos, obwohl sie sich gegenseitig verrückt machten, ein Tanzpaar: Sie wusste nicht, was sie sonst tun sollte und er fand niemanden, der sie ersetzen konnte: „Mit anderen Frauen kann ich tanzen, aber mit ihr kann ich glänzen.“ Auch wenn Copes nächtelang trank, als Vorzeige-Latin Lover unzählige Affären hatte, gab sie ihn nicht auf, da sie ihn „liebte und dachte, dass Männer einfach so seien.“

Für María kam der emotionale Wendepunkt 1972. Juan Carlos Copes begann eine Beziehung mit einer 20 Jahre jüngeren Frau, wurde 1976 Vater und gründete die Familie, die er mit María nie haben wollte. Fast kam es zur endgültigen Trennung, doch María kehrte 1977 mit ihm auf die Bühne zurück. „Es war schwierig, mit all diesem Hass gemeinsam auf der Bühne zu stehen. Ich weinte heimlich, begrüßte ihn nicht einmal mehr und brachte alle Gefühle in meinen Tanz. Mein Abscheu vor ihm half meinem Ausdruck beträchtlich! Auf der Bühne sagte ich leise: „Gleich trete ich dir auf die Füße...“ Eine sehr negative Energie, aber voller Stolz und Leidenschaft, die mich als Künstlerin wachsen ließ.“ Ihre gemeinsame Show „Tango Argentino“ läutete ab 1983 das weltweite Tango-Revival ein.

Über die Zeit wurde María Nieves von Trauer überwältigt, überwand die jahrelange Depression jedoch und erfuhr langsam, dass das Publikum sie immer noch liebte: „Zu Beginn meines Comebacks dachte ich, dass die Leute nur aus Mitleid für die ehemalige Muse von Juan Carlos Copes klatschten. Erst nach einer Weile verstand ich, dass sie mich wirklich als eigenständige Künstlerin schätzen.“ Copes (Maria: „Einen Tänzer wie ihn wird es nie wieder geben“) arbeitete weiter als Choreograf, unter anderem weiterhin mit Astor Piazzolla („Between Borges and Piazzolla“, 1997), dessen musikalische Ideen er in bewegte Formen umsetzte, und seiner Tochter Johanna Copes. Er choreografierte Piazzollas erste Tango-Oper, „Maria de Buenos Aires“ und wirkte für Raúl de la Torres Musical „Funes“ (1993) sowie für Carlos Sauras Kinofilm „Tango“ (1998) als künstlerischer Berater.

EIN LETZTER TANGO ist der Film eines Ausnahme-Paares – eines besessenen, zum Exzess neigenden Perfektionisten und einer Frau, die erst spät im Leben ihre wahre Eigenständigkeit findet. Bis heute ist María Nieves nie mehr eine feste Beziehung eingegangen, sowohl privat als auch beruflich, und teilt ihr Leben in ein „Vor- und Nach Copes“ ein. Sie gibt Unterricht und steht gelegentlich auf der Bühne. Mit dem immer noch als Tänzer und Choreograf aktiven Copes tanzte sie immer weniger und schließlich gar nicht mehr – bis zu EIN LETZTER TANGO.

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